Fünf Tage bis Ostern
Die Wünsche häufen sich in dieser Woche: „ … und frohe Ostern auch". Ach ja - mal wieder. Heute kam zudem ein verfrühter Ostergruß aus Brasilien - von jemandem, der auf Nummer sicher mit den Ostervorbereitungen gehen wollte und die handbemalte Ei-Karte gleich nach Weihnachten eingesteckt haben muss. Ach ja, die Vorbereitung auf Ostern. „Nun“, meinte mein Doktor in Uelzen, „ich fange mit dem Einkaufen und Abzählen der Schokoladenostereier an - fünf Enkel wollen schließlich gerechte Ostern...Außerdem habe er einige wenige persönlich angemalte, dafür echte Hühnerostereier. Und alle werde er sie ebenso persönlich verstecken. Wie immer. Auch besagte Enkel bereiten ihr Ostern vor: Indem sie Handspiegel an Besenstielen befestigen. Damit sie diese aus dem Küchenfenster als Spione hängen, wenn Opa und Papa die besagten Eier und Geschenkpäckchen mit gleichbleibender Kreativität unter den Büschen am Zaun und immer in den Kronen derselben Weiden und der Dachrinne vom Schuppen verstecken. Die selbstgebastelten Spione der Kids erlauben, die mühsame Suche nach den Gaben am Ostertag auf ein Minimum von Zeit zu begrenzen. Um schneller an die Geschenke zu kommen - und schneller freizuhaben von diesen Oster-Ritualen, die die Eltern und Großeltern offenbar brauchen. Wie immer. Tante Erika und Onkel Julius Ostern? Die werden über Ostern nach Timmendorfer Strand in ihr Viersterne-Hotel fahren. Dort zeigt sich Ostern für sie in der Zeit zwischen 18 und 19 Uhr, in der „Happy Hour". Happy deshalb, weil alle Getränke (Tante Erikas Danziger Goldwässerchen und Onkel Julius Kirschwasser) noch weniger als die Hälfte kosten. Eben wie immer Ostern. Für wieder andere ist die Sternstunde des Osterfestes nicht in einem Mehrsterne-Hotel, aber auch um sechs Uhr. Allerdings morgens, wo in mehreren Kirchengemeinden des Kirchenkreises Uelzen österliche Frühgottesdienste erlebt werden können. Wie immer. Andere Mitbürger verstehen ihre Osterstunden genauso wie die Weihnachts- und Pfingsttage: Als Stunden des Ausschlafenkönnens. Statistisch zeigt sich diese Gruppe als Äquivalent zu den christlichen oder den joggenden Frühaufstehern. Wie immer. Vereinzelt wird es auch welche geben, die ihr Ostern um ein Ei vergessen hätten. Da werden zum Beispiel in Lissabon oder Frankfurt Business-Reisende aus dem Flugzeug steigen und erst begreifen, daß Ostern ist, wenn ihnen die freundliche Hostess der Fluggesellschaft ein buntgemaltes Osterei in die attache-kofferbeschwerte Hand drücken will. Aber solche Reisende werden es nur um ein Ei vergessen - dieses ihr Osterfest. Wie immer? Irgendetwas wird schon sehr anders sein, dies Ostern. Wir müssen nur darauf achten. Wie immer.
11. April 1995